Wie man die Kirche demoliert

Dass der Papst in (Ober-)Österreich einen Reformbedarf geortet haben
könnte, hat den Mittelbau in Rage gebracht. Doch gerade die Demut, sich
vom Papst auch korrigieren zu lassen, wäre katholisch gewesen. Von
Stephan Baier / Die Tagespost.blank1
Linz
(kath.net/Die Tagespost) „Der Papst ernennt die Bischöfe frei oder
bestätigt die rechtmäßig Gewählten“, heißt es im Kirchenrecht (Can. 377
§1). Das gilt auch in Österreich. Theoretisch zumindest. Seit am
Sonntagabend der vom Papst ernannte Weihbischof für die Diözese Linz,
Gerhard Wagner, „angesichts der heftigen Kritik“ und „nach Rücksprache
mit dem Diözesanbischof“ den Papst um Rücknahme seiner Ernennung bitten
musste, ist klargestellt, dass das päpstliche Recht nicht weiter reicht
als die zivilgesellschaftliche Akzeptanz des Ernannten.

Die Ernennung Wagners löste einen Sturm des Protestes, der Empörung und
der öffentlichen Kritik aus, der allenfalls mit dem Widerstand gegen
die Ernennung des Philosophieprofessors Kurt Krenn zum Wiener
Weihbischof 1987 vergleichbar ist. Ausgelöst wurde der Wirbel übrigens
nicht von den Medien, denen Kirchenkreise gerne mit einer Mischung aus
Verachtung und Angst begegnen, sondern vom kirchlichen Mittelbau:

Kirchliche und pseudo-kirchliche Vereine, kommentierungsfreudige
Theologieprofessoren, oberösterreichische Dechanten und kirchliche
Angestellte lieferten die Wortspenden, die – von den Medien dankbar
aufgegriffen – jenes Vorurteil schufen, das dem modernen Menschen
fundierte Urteile ersetzt. Alle diese Kräfte konnten am Sonntagabend
die Sektkorken knallen lassen: Der binnenkirchliche,
kirchensteuerfinanzierte Mittelbau hat einen Sieg über das freie
Ernennungsrecht des Papstes errungen!

Als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz hatte Kardinal
Schönborn die Diözesanbischöfe für Montag zu einer Krisensitzung nach
Wien geladen. In der Samstagsausgabe einer Wiener Tageszeitung hatte
Bischof Kapellari, der Wagner durchaus kritisch wertete, versichert, er
begegne „dem neuen Bischof selbstverständlich brüderlich mit einem
Vertrauensvorschuss“.

Dass andere das ganz anders sahen, dass Wagner rasch und ohne
Vertrauensvorschuss demontiert wurde, offenbart die Machtverhältnisse
innerhalb der österreichischen Kirche. Nicht jene haben sich
durchgesetzt, die kritisch gegen Simplifizierungen aller Seiten auf
eine Stärkung der katholischen Mitte und Tiefe setzten, sondern die
Polemiker: die „Trotz Speiben bleiben“-Kampagne von Funktionären der
„Katholischen Jugend“ und der medial omnipräsente Professor Zulehner,
der vor einer „Nach-rechts-schrumpf-Ghettoisierung“ der Kirche warnte.


Drei ausgesuchte Zitate Wagners genügten, um diesen landesweit als
„Ultrakonservativen“ abzuurteilen. Um Missverständnisse zu vermeiden:
Ob Harry Potter hohe Literatur oder satanistische Verführung sei, ob in
Naturkatastrophen der Geschichtswille Gottes erkennbar werde, ob
Homosexualität heilbar ist oder nicht, darüber darf man
unterschiedlicher Auffassung sein und leidenschaftlich, möglichst auch
argumentativ, streiten. Das aber wollten Wagners zahlreiche Kritiker
gar nicht. Es ging ihnen weder um einen theologischen noch um einen
gesellschaftlichen Diskurs. Es ging um eine Machtprobe.

Verloren hat sie nicht nur Gerhard Wagner. Künftig kann man braven
Dorfpfarrern und frommen Mönchen in Österreich nur dringend abraten,
einen Ruf zum Bischofsamt anzunehmen. Es mag den Papst interessiert
haben, dass Wagner in zwei Jahrzehnten als Pfarrer von Windischgarsten
40 Gebetskreise aufbaute, die eucharistische Anbetung erfolgreich
einführte und jeden zehnten Katholiken für eine ehrenamtliche Mitarbeit
in der Pfarrei gewinnen konnte. Den auf Kirchensteuerpolster ruhenden
Mittelbau interessiert weder die Beliebtheit an der viel beschworenen
Basis noch der pastorale Erfolg. „Basis“ und „Pastoral“ werden
lediglich als Waffe eingesetzt, wo sie dienlich scheinen.

Tatsächlich geht es um anderes: Der gesellschaftliche Konsens darf
nicht gestört werden. In der Illusion des katholischen Österreichs
mischen sich munter auch Kirchenferne, Ausgetretene und Ungetaufte in
binnenkirchliche Fragen ein. Bekennende Agnosiker ereifern sich über
die kirchliche Personalpolitik, als ginge sie das etwas an. Menschen,
die in Verlegenheit kämen, fragte man sie nach ihrem Glauben an die
Dreifaltigkeit, wollen ganz genau wissen, welcher Bischof der Kirche
guttut oder schadet.

Wer an den viel beschworenen Dogmen des semisäkularisierten Österreich
rüttelt, bekommt die Intoleranz der selbsternannten Liberalen zu
spüren. Helle Aufregung herrschte deshalb, als Papst Benedikt XVI. in
der Wiener Hofburg die Abtreibung kritisierte oder als Kardinal
Schönborn in Jerusalem die Relativierung von Humanae vitae anprangerte.
Zu den österreichischen Dogmen gehört nämlich, dass an der
Fristenregelung nicht gerüttelt werden dürfe und dass Humanae vitae
durch die Mariatroster Erklärung aufgehoben sei. Wer Bibel, Katechismus
und Lehramt über die Dogmen der Zivilreligion stellt, wird als
Fundamentalist für vogelfrei erklärt.

Noch ein Missverständnis sei vermieden: Kein österreichischer Bischof
ist der Häresie verdächtig. Auch haben auffallend viele österreichische
Bischöfe erstaunlich gute Kontakte an den Tiber und könnten mit Recht
behaupten, noch „römischer“ zu sein als Wagner. Dessen Ernennung hätte
die Bischofskonferenz auch nicht ersetzt oder korrigiert, sondern
erweitert. Als Auxiliarbischof sollte und wollte er ein Helfer seines
Diözesanbischofs sein, der im stark polarisierten Oberösterreich kein
leichtes Erbe antrat. Dass der Papst in (Ober-)Österreich einen
Reformbedarf geortet haben könnte, hat den Mittelbau in Rage gebracht.
Doch gerade die Demut, sich vom Papst auch korrigieren zu lassen, wäre
katholisch gewesen.

Quelle http://tinyurl.com/b72v8h

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