MEDIEN

Dienstag, 17. März 2009

Kommerzielles Gift zerstört Journalismus

16. März 2009, 16:40 www.standard.at

"Kommerzielles Gift zerstört Journalismus"

Nach
der Krise kommen die "Minimedien" verspricht der britische Autor und
"Guardian"-Journalist Nick Davies - Wieso kleine Einheiten in Zukunft
erfolgreich sind, sagte er dem STANDARD

  • "Guardian"-Journalist und Buchautor Nick
    Davies.
  • STANDARD: Ist die Finanzkrise ein
    Medienkonstrukt, ähnlich Millenium Bug oder Massenvernichtungswaffen im
    Irak?


Davies:
So weit würde ich nicht gehen. Bei der Finanzkrise sind die Medien in
die Falle getappt, weil sie an eine Legende glauben. Diese Legende
entstand unter Thatcher und Reagan und sagt, freier Markt und
Privatwirtschaft sind gut. Eine sehr simple und naive Legende. Einige
wenige Journalisten sahen die Gefahr, aber ihre Geschichten wurden nie
publiziert, weil sie der Legende nicht entsprachen. Ein Jahr bevor der
US-Subprimemarkt kollabierte, warnte die New York Times
davor. Niemand hat diese Geschichte übernommen. Ein Observer-Journalist
wollte einen Artikel veröffentlichen, in dem er die Gefahren des
Weltfinanzsystems beschreiben wollte. Der Redakteur lehnte ihn sehr
grob ab, weil der Artikel zu kompliziert war.

STANDARD: Aber
ist es nicht verkürzt, den Medien die Schuld zu geben? Die
Falschmeldung, wonach der Amokläufer seine Tat im Internet ankündigte,
streute zum Beispiel die Polizei.

Davies:
Natürlich. Die PR-Industrie stellt ein Problem für sich dar. Wenn man
mich morgen zum Premierminister in Großbritannien machen würde - ich
glaube nicht, dass sie es tun werden, aber falls doch - würde ich mir
genauso einen PR-Stab zulegen und versuchen, Medien zu manipulieren.
Die PR-Industrie ist böse, aber sie wird angespornt durch die Medien.
Manchmal ist die Falschheit aber auch beabsichtigt, um die öffentliche
Meinung zu manipulieren. Es braucht starke Medien, um dem
standzuhalten, andernfalls ist es sehr einfach zu manipulieren.

STANDARD: Wie konnte es so weit kommen? Alles wegen
Rupert Murdoch?

Davies: Nicht
nur. David Montgomery und unzählige andere Kapitalgesellschaften
repräsentieren wie Murdoch das kommerzielle Gift, das seriösen
Journalismus zerstört.

STANDARD: Sie werden Ihnen entgegnen: Der Erfolg gibt
uns Recht?

Davies:
Das glaube ich nicht. Wir befinden uns in einer Entwicklung mit drei
Phasen: Zuerst waren die guten Jahre, als die großen Konzerne
Nachrichtenorganisationen aufkauften und große Profite machten. Sie
kommerzialisierten Inhalte, bauten Personal ab und verdienten viel
Geld. Dann begann sich die Qualität der Nachrichtenproduktion zu
verschlechtern, was zu Leserschwund führte. Der sich mit dem Internet,
Phase zwei, beschleunigte. Außerdem verloren sie Inserate, auch ans
Internet. Jetzt hatten die Konzerne Probleme. In Phase drei
beschleunigt die Kreditkrise den Inseratenschwund. Diese
Beteiligungsgesellschaften waren kommerziell erfolgreich, aber niemals
journalistisch. In Großbritannien verlieren die übelsten
Boulevardblätter massenhaft Leser. Der Daily Mirror
hatte einmal vier Millionen, heute nur mehr 1,5 Millionen Leser.

STANDARD: Soll das heißen, das Problem der
Gossenpresse löst sich irgendwann von selbst?

Davies: Die großen Gesellschaften werden aus dem
Nachrichtengeschäft aussteigen. In Großbritannien trifft es gerade den
Evening Standard, der einem russischen Oligarchen gehört. Jetzt will er
ihn nicht mehr. Das Ende dieser als Kapitalgesellschaftsformen
organisierten Massenmedien ist in den nächsten fünf bis zehn Jahren
absehbar. Sie nehmen ihr Geld raus. Sag: Auf Wiedersehen zu ihnen.

STANDARD: Und danach?

Davies: Brauchen
wir eine dritte Finanzierungsquelle. Der "Guardian" begann sich
umzuschauen nach reichen Familien, die eigene Zeitungen besaßen und
gründete eine Stiftung. Die Regierung müsste einen Fonds gründen, der
es den vielen arbeitslosen Journalisten ermöglicht, neue Organisationen
zu gründen. Wir bewegen uns auf etwas zu, das ich "Minimedien" nenne.
Kleine Gruppen von Journalisten gründen eine Webseite und besetzen eine
kleines Gebiet, geographisch zum Beispiel eine kleine Stadt oder
thematisch die Nahrungsmittelindustrie. Wenn nicht, begeben wir uns in
eine Zukunft des Informationschaos. Diese Minimedien könnten auf ihrem
Gebiet die allerbesten Informationsquellen sein. So könnten wir die
Konzerne beiseite lassen. Sie sind das Problem und können nicht Teil
der Lösung sein.

STANDARD: Und wenn das auch nicht funktioniert?

Davies:
Wenn das Minimedia-Modell nicht funktioniert, verlieren wir den
Journalismus. Was haben wir dann? Eine inkohärente Blase. Manche sagen,
es macht nichts, wenn Journalismus stirbt. Weil das Internet es mit
Blogs usw. ersetzen wird. Das wäre, als sagee man, wir brauchen kein
Gesundheitssystem mehr, die Menschen heilen sich selbst. Wir brauchen
Menschen, die Fertigkeiten haben, Zeit und die Ressourcen, um
Informationen aufzugreifen und zu vermitteln.

STANDARD: Was haben Qualitätsmedien zu erwarten?

Davies:
Qualitätsmedien verlieren Geld, aber nicht unbedingt Leser. Nehmen wir
den Guardian. Wir drucken 350.000 Auflage, das stagniert. Unsere
Leserzahl im Internet steigt aber dramatisch, wir zählen 30 Millionen
Unique User.

STANDARD:  Das heißt, alles verlagert sich auf das
Internet. Auch das Zeitunglesen. Was ist mit dem haptischen Erleben?

Davies:
Der Grund, warum wir aufhören werden, Zeitung zu lesen, hat nur
teilweise mit Kosten zu tun. Wir sind in der Technologie nur einen
Schritt entfernt: Es braucht einen leichten, tragbaren Bildschirm, den
man leicht in die Tasche einstecken kann. Amazon
produziert dieses Ding schon als e-book. Aber es müsste noch leichter
sein, um darin Zeitungen zu lesen. Es wird nicht mehr lange dauern.

STANDARD: Was raten Sie einem Berufseinsteiger?

Davies: Immer
herein. Wenn du jemanden findest, der dich bezahlt, ist es ein
fantastisch guter Job. Du wirst bezahlt, um interessante Themen zu
finden, interessante Plätze aufzusuchen und kannst manchmal Menschen
attackieren, die wirklich Böses getan haben, was sehr, sehr
befriedigend sein kann. Ein Zeichen der Hoffnung ist auch, dass
Journalismus intelligente, energetische und idealistische junge
Menschen anzieht. Wir brauchen sie. Ihre Gegenwart ist ein Teil davon,
der uns beim Überleben hilft. (Doris Priesching, DER STANDARD;
Printausgabe, 17.3.2009/Langfassung)

Zur Person
Nick Davies schreibt beim "Guardian" und ist Autor von "Flat Earth News".
Beim ORF-Dialogforum diskutiert er am Dienstag,
19.30 Uhr, im Wiener NIG über Qualitätsjournalismus.

Montag, 23. Februar 2009

CEOs ignorieren soziale Sprengkraft

23.02.2009
Autor(en): Diego Wyllie.
Äußerungen
unzufriedener Mitarbeiter, fehlgeleitete Nachrichten oder die
unkontrollierte Verbreitung vertraulicher Informationen: Das Web 2.0
birgt neue Gefahren für das Unternehmensimage, die von vielen CEOs
unterschätzt werden.Einer weltweit durchgeführten Umfrage zufolge
machen sich 95 Prozent der CEOs
im Zuge große Gedanken um die Reputation ihres Unternehmens. In der
Regel seien die Führungskräfte daher um eine stetige Kontrolle des
Firmenrufs bemüht, jedoch würden sie dabei die Bedeutung des Web 2.0
unterschätzen: Während 72 Prozent der CEOs traditionellen Medien für
verlässliche Quellen halten, erachten nur 13 Prozent reine
Online-Medien als vertrauenswürdig.
weiterlesen auf http://www.computerwoche.de/subnet/oracle_crm/1887519/

Verleger müssen wie Google denken

http://tinyurl.com/aq8asz


Netzökonom
New York Times und die Revolution im Internet

18. Februar 2009, 18:10 Uhr


„Verleger müssen wie Google denken", rät Journalismus-Professor Jeff Jarvis den Printhäusern und meint damit die konsequente Vernetzung der Inhalte im Web 2.0 statt Isolation. Die New York Times geht diesen Weg so gradlinig wie bisher kein großes Printhaus (vielleicht mit Ausnahme des britischen Guardian). Die Zeitung stellt einen großen Teil ihrer Inhalte, zum Beispiel alle 2,8 Millionen Artikel, die seit 1981 geschrieben wurden, über eine Programmierschnittstelle (API) zur Verfügung. Alle Internetseiten können sich darüber mit der New York Times verbinden, deren Inhalte kostenlos in ihre eigenen Seiten einbauen und sie mit anderen Inhalten zu so genannten Mashups verknüpfen - genauso wie es Google mit seinen Landkarten oder Videos macht. Die New York Times wird also zu einem Anbieter von Daten, die von Maschinen und nicht nur von Menschen gelesen werden können. Nur dann, so die Strategie, können sich die Inhalte wirklich schnell und flächendeckend im Internet verbreiten. Die Idee dahinter: Je mehr Links aus dem Internet auf die Seite der New York Times weisen, desto mehr Besucher landen schließlich dort. Publizistisch wird damit die größtmögliche Reichweite erzielt, löst aber noch nicht das Problem, wie der Besucherstrom in Erlöse umgewandelt wird. Trotzdem hat die NYT den ambitioniertesten Ansatz eines Medienhauses gewählt, sich im Web 2.0 dauerhaft gegen Powerhäuser wie Google oder Facebook und deren Connect-Strategien (1,2) zu behaupten. Und dies nicht erst, seitdem das Internet die Zeitung als wichtigste Nachrichtenquelle überholt (PDF) hat.

Angefangen hat alles mit einem Interview, das die NYT-Technologen Marc Frons und Aron Pilhofer im Mai gegenüber Mediabistro gegeben haben. Darin kündigten sie an, die NYT „programmable" zu machen. „Alles, was wir produzieren, sollten organisierte Daten sein. Der Plan lautet, uns zu öffnen. Wie weit, das wissen wir noch nicht", lautete die Ansage damals. Semantische Verfahren können das Auffinden der geeigneten Daten zusätzlich erleichtern.

Maschinenlesbare Daten

Was die beiden damit gemeint haben, lässt sich seit dem 14. Oktober im NYT-Blog Open nachlesen. Dort veröffentlicht die NYT Schritt für Schritt die Schnittstellen zu den Inhalten, die sie im Web zu Verfügung stellt. Die bedeutendste Ankündigung stammt vom 4. Februar, die Artikel Such API. Damit öffnet die New York Times ihr Archiv und bietet alle 2,8 Millionen Artikel, die seit 1981 in der Zeitung erschienen sind, den Webentwicklern für ihre Seite an. Diese können dynamische Links auf diese Artikel setzen, die Inhalte in ihre Seiten einbauen oder sie mit ihren eigenen Inhalten verknüpfen. Die „Zeitung wird zur Plattform im Internet", hat Mathew Ingram auf Twitter treffend formuliert.

Ganz neu ist die TimesPeople API, die am 17. Februar veröffentlicht wurde. Sie zeigen, welche Artikel die New York Times Leser angeschaut haben. Die Best Sellers API eignet sich zum Beispiel für Buchhändler oder Autoren. Sie können zum jedem Buch die Informationen einbinden, wann und wie lange der Titel auf der Bestseller-Liste gestanden hat. Die Congress API zeigt, wie sich die Abgeordneten des amerikanischen Kongresses in Abstimmungen seit 1989 verhalten haben. Die Daten bezieht die NYT selbst aus den Kongress-Datenbanken. Auch Filmkritiken oder Wahlkampagnen sind inzwischen per Schnittstelle zu beziehen. Weitere Schritte sollen folgen. Spannend dürfte daher die Times Open am 20. Februar sein.

Das Blog ReadWriteWeb beschreibt die Strategie übrigens sehr passend:

„Reporting is no longer a scarce commodity. It's hard for these huge news organizations to do it faster, cheaper or even as well as a whole web of new media producers around the world. They may be among the top sources for original content still today, but considering the direction technology is moving in - that's not a safe bet for the future.

One thing that big media still does have a particularly good share of, though, is information processing resources and archival content. The Times' campaign contribution API is a good example of this. The newspaper is far better prepared to organize that raw information, and perhaps offer complimentary content, than any individual blogger or small news publisher."

Links:

-> Prototyp der künftigen NYT-Website
-> Jeff Jarvis: Verleger müssen wie Google denken
-> Marissa Mayer über den Ansatz, den Youtube-Player zum Standard im Internet zu machen
-> Guardian: Wir haben uns unsere Nutzer nicht gekauft
-> Britische Verlage wollen mehr Geld von Google
-> Internet setzt sich als Informationsmedium durch
-> Informationsverhalten: Internet nimmt klassischen Medien rapide Marktanteile ab
-> Akademiker informieren sich meist im Internet
-> Intensivleser gehen ins Internet
-> Digg.com oder New York Times?

Sonntag, 22. Februar 2009

Eingebettete Journalisten

*Aber dann stellt sich doch die Frage: Warum hat niemand reagiert?
Wirtschaftsjournalisten waren es kaum, die sich kritisch zeigten. Herr
Sloterdijk, Sie sagen, es gab viele andere. Warum hat man Sie nicht
gehört? Nicht erhört?

*Auf diese Frage gibt es zwei Antworten. Die erste heißt: Die
Wirtschaftskommentatoren sind großteils "eingebettete Journalisten" --
sie schreiben dem Tagesbefehl gemäß und ziehen mit ihrer Truppe ins
Feld. Für sie wären Argumente gegen den Mainstream beruflicher
Selbstmord. Die zweite Antwort lautet: Die Handelnden auf dem Gebiet der
Finanzmarktspekulation leben völlig außerhalb der Hörweite der
analytischen Intelligenz. Sie sind von ihren Spielen berauscht und haben
keine freien Kapazitäten für alternative Gedanken. Soviel ich weiß,
nahmen sich auch die Konquistadoren keine Zeit für Ethikseminare.

weiterlesen auf cicero.de
http://www.cicero.de/97.php?ress_id=6&item=3334

Samstag, 21. Februar 2009

Warum lasst ihr euch das bieten?

von Bodo Hombach

Rendite statt Qualität, hohle Gratisprodukte statt ernster Journalismus?
Tatsächlich ist die Medienkrise eine Sinnkrise. Bodo Hombach rechnet mit
den verkommenen Sitten eines unkritischen Medienbetriebs ab und fordert
den egoistischen Leser

Quelle cicero.de http://cicero.de/97.php?ress_id=6&item=3418

Medien Frankreich

Frankreichs Präsident Sarkozy verspricht der Presse Rettung vor der
Krise. Und treibt sie damit noch tiefer in die Abhängigkeit
Am Anfang war die Subvention. La Gazette hieß die
Zeitung, die der Arzt Théophraste Renaudot im Mai 1631 gründete, die
erste ihrer Art in Frankreich. Das Wochenblatt genoss die finanzielle
Unterstützung des Kardinals Richelieu und diente dessen Zwecken; als
Konkurrenz drohte, sicherte sich Renaudot ein gesetzliches Monopol.
Der Gedanke an diese Zeiten drängte sich am vergangenen Freitag auf, als Frankreichs Staatspräsident seinen Neujahrsempfang für die Presse gab. Eine Rede zur Modernisierung der Zeitungen war angekündigt. Zuvor hatten wochenlang die sogenannten »Generalstände« der Presse getagt – ein vom Staatschef zusammengetrommelter Kongress der Interessierten – und ein Büchlein mit Bitten an die Macht verfasst. Mehr Regierungsanzeigen in unseren Blättern, bitte schön, dazu Steuergeschenke und andere Subventionen, so sah der Wunschzettel aus. Nicht alle haben ihn unterschrieben. Es gibt Chefredakteure, aus deren Sicht Staatsgeld wie Zement wirkt, der jede Bewegung verhindert – selbst wenn Girlanden darum gewickelt sind, auf denen »Modernisierung« steht. Ihnen missfiel auch die gebückte Haltung der »Generalstände«: Jetzt, in der Krise, brauchten die Bürger eine wache, eine freche Presse und keine, die sich der Staatsmacht als Bittstellerin nähere.

Nun aber drängten sich Verleger und Journalisten unter Gold und Purpur, bis endlich Nicolas Sarkozy in den Festsaal des Élysée fegte. Ehrerbietiges Aufstehen. Und Hochspannung. »Ich werde Sie nicht mit ›liebe Freunde‹ begrüßen«, witzelte der Machthaber, »damit Ihre Unabhängigkeit gewahrt bleibt.« Doch dass sich der Staat um die Presse kümmere, sei ja wohl vollkommen okay. Schließlich stecke die in einer Krise, genauso wie die Autobranche, und die rette er auch.

Das war das Niveau. Nach der Rede, beim Champagner, wunderte sich eine Kollegin, was für einem Retter man sich da anvertraue. »Er verachtet uns«, sagte sie. Während Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft habe sie Vergleiche ziehen können: »Ihr Deutschen wurdet während der Gipfel laufend informiert, bekamt Termine mit der Kanzlerin, während wir ganz einfach vergessen wurden.« Details, aber es gibt viele dieser Art. Gleichzeitig, Ironie der Macht, werden Jahr für Jahr Journalisten zu Rittern der Ehrenlegion ernannt. Woraufhin einige von ihnen vor Rührung ganz weich werden und es auch bleiben.

Die Presse sei »die vierte Gewalt«, diesen Ausdruck prägte einst der Club des Cordeliers, jener Verein radikaler Revolutionäre also, der auch die Losung »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« erfand. »Diese vierte Gewalt existiert nicht mehr«, urteilt Jean Nouailhac in seinem neuen Buch Die Mediakraten. Der altgediente Pressemann übertreibt. Doch den Cordeliers, kämen sie noch einmal zurück, fiele einiges auf. Etwa dass der Sprecher der Regierungspartei verlangte, die vom Staat unterstützte Presseagentur AFP habe seine Kommuniqués gefälligst vollzählig abzudrucken. Oder dass sich der Präsident im Parlament das Vorrecht einräumen ließ, die Direktoren des öffentlichen Rundfunks zu ernennen. Kritikern dieser Klausel begegnet die Macht mit dem zynischen Argument, der Präsident hätte sich auch in dem bisherigen Wahlgremium stets durchgesetzt. Macht ohne Verkleidung – das ist der neue Stil.

Dazu kommt Mikro-Management. Anrufe der obersten Intendanz bei der Presse beispielsweise. Mal passt dies nicht, mal jenes. Ein Foto von Carla vielleicht. Oder die Überschrift »Sarkozy und die Psychologen« auf dem Titel des Nachrichtenmagazins Le Point. »Das gehört zum Spiel«, sagt dessen Chefredakteur Franz-Olivier Giesbert selbstbewusst. »Mich schockiert es nicht, wenn ein Politiker anruft, um zu protestieren oder mich zu bedrohen. Mitterrand, Chirac, Sarkozy, sie alle haben meine Entlassung gefordert. Schockierend ist vielmehr, wenn der Präsident etwas vom Fernsehen oder der Presse verlangt – und es dann auch so geschieht.«

Franz-Olivier Giesbert fügt eine französische Besonderheit hinzu: »Es gibt Industrielle, die Zeitungen besitzen, um ihren Einfluss zu erweitern. Etwa um leichter einen Termin beim Präsidenten zu bekommen zwecks öffentlicher Aufträge. Und die seinen Willen exekutieren.« Wer will außerdem glauben, schreibt der alte Fahrensmann Jean Nouailhac, dass beispielsweise die Journalisten von Paris Match oder Journal du Dimanche unbefangen über Probleme von EADS schrieben, deren Zeitungen der Gruppe des Industriellen Lagardère gehören, der wiederum 7,5 Prozent der Aktien von EADS besitzt sowie den Vorsitz des Aufsichtsrats innehat? Oder dass Les Échos in aller Freiheit die finanzielle Solidität der Luxuswarengruppe LVMH beschreibt, die Bernard Arnault gehört, dem Eigentümer des Wirtschaftsblatts? Als Arnault im Herbst 2007 den Kampf um Les Échos gewonnen hatte – nicht ohne Feuerschutz aus dem Élysée –, schrieb dessen Chefredakteur zum Abschied im Editorial: »In keinem entwickelten demokratischen Land der Welt ist die wichtigste Wirtschaftszeitung Eigentum einer großen Industriegruppe mit weit gespannten Interessen.« Außer in Frankreich – wo der Staatschef noch dazu ein kumpelhaftes Verhältnis zu ebensolchen Industriellen pflegt.

Eine bezeichnende Episode steuert Denis Jeambar bei, ehemals Chefredakteur des Express. Das Wochenmagazin gehörte dem Rüstungsindustriellen Serge Dassault. »Das war 2006«, sagt Jeambar, »als wir die dänischen Mohammed-Karikaturen ins Blatt bringen wollten. Nach Redaktionsschluss erhielt ich einen Anruf: ›Druckst du die Karikaturen?‹ – Ja. – ›Dann musst du Serge anrufen.‹ Mit Dassault ging es dann so weiter: ›Stop press!‹ – Die Druckerei müssen Sie schon selbst anrufen. Und ich werde dann zurücktreten, das Magazin erscheint nicht, und ein Mediensturm wird losbrechen. – ›Aber ich bin gerade in geschäftlichen Verhandlungen mit Saudi-Arabien.‹ Er wollte dort Waffen verkaufen. Ich legte auf und wartete ab. Es geschah nichts. Die Karikaturen erschienen.«

Das war also noch einmal gut gegangen. Heute besitzt Serge Dassault die Tageszeitung Le Figaro (verkaufte Auflage: circa 330000). Als deren Chefredakteur im vergangenen September einen Interviewtermin bei Wladimir Putin hatte, flog Dassault kurzerhand mit. Nachdem die ziemlich brave Befragung erledigt war, kamen der Industrielle und Russlands starker Mann bei Tisch aufs Geschäft zu sprechen. Für sich genommen, ist der Figaro kein lohnendes Investment. Im vergangenen Jahrzehnt ging die Gesamtauflage der nationalen Tagespresse um fast 18 Prozent zurück.

»Der Staat muss helfen«, sagt ein eher linksgerichteter Chefredakteur, »eine Zeitung ist schließlich Kultur, wie das Kino.« Oder wie das Auto, ist man versucht zu ergänzen. Nun, Frankreich zahlt bereits die höchsten Pressesubventionen Europas, sie belaufen sich auf acht Prozent vom Umsatz. Dennoch geht es der Presse des Landes besonders schlecht. Was sich mitnichten nur auf die schlimmen Zeiten schieben lässt. Die Kosten der in mehreren Ländern erscheinenden International Herald Tribune bieten einen Anhaltspunkt: 30000 Exemplare dieser 22 Seiten umfassenden Zeitung zu drucken kostet fast überall rund 2500 Euro – in Frankreich aber 3854. Herstellung, Verbreitung, Verkaufspreise, alles liegt weit über dem europäischen Durchschnitt. Die Folge: Fast nirgendwo verdient ein Zeitungsverkäufer so wenig wie in Frankreich. Ein Gesetz aus dem Jahr 1947 zwingt ihn überdies, jedes noch so kleine Blatt anzubieten. Dafür ist strikt geregelt, wo überhaupt Zeitungen verkauft werden dürfen und wo nicht.

Sie sehen nicht gut aus, die Zahlen nicht, die Moral nicht. »Unsere Presse ist korporatistisch und konformistisch«, klagt ein Altmeister des Journalismus, der ungenannt bleiben will. Er beschreibt einen Redaktionsalltag, in dem es genügt, wenn ein Politiker etwas durchsickern lässt – und schon ist es eine Meldung. »Wozu eine zweite Quelle? Man schreibt schnell etwas hin, geht zwei Stunden essen und bereitet sich auf den Feierabend vor. Die wochen- oder monatelange Recherche ist beinahe ausgestorben. Die 35-Stunden-Woche gab uns den Rest. Als Chefredakteur hatte ich meine Mühe, die Kollegen auch nur zu erreichen, zumal sie pro Jahr gut drei Monate frei hatten.« Die Gehälter wiederum sind niedrig und bleiben es weitgehend auch während eines Aufstiegs, was ein Anreiz für Nebenbeschäftigungen ist, nicht für Höchstleistung in der Redaktion.

Umso bewundernswerter sind die Journalisten, die sich nicht demotivieren lassen, die ihren Beruf ernst nehmen. Es gibt sie, keine Frage, doch selbst die Wochenmagazine überraschen wenig. Skandale, und es gäbe viele, werden fast nie systematisch verfolgt. Die Themenkonjunktur verläuft nach dem Muster »Vor der Sarkozy-Rede – die Sarkozy-Rede – Reaktionen auf die Sarkozy-Rede«. Die Radiosender wiederum, die Regionalzeitungen und Wirtschaftsblätter, die weithin gute Qualität bieten, können allein die Öffentlichkeit nicht herstellen, die ein großes Land wie Frankreich braucht.

Dass es so etwas wie eine gesellschaftliche Realität gibt, teilt sich dem Publikum eigentlich nur mit, sobald sie gestört wird: wenn Streiks das Land lahmlegen. Und im Internet. Es ist in Frankreich so voll, wie die übrigen Medien leer sind. Blogs und Facebook erzeugen politische Öffentlichkeit, mit ihnen organisieren sich Parteien und Bewegungen, sie sind beinahe so wichtig wie in Amerika. Aber was bedeutet das für die Medienunternehmen?

»Es lebe der Neojournalismus«, so stand es kürzlich im Express, als er seine 3001. Ausgabe feierte. Die Verlage freuen sich erst mal auf die zusätzlichen 600 Millionen Euro. Das jedenfalls war Sarkozys Rede für die Presse wert. Trotzdem sagt zum Beispiel Franz-Olivier Giesbert: »Der Staat hat sich schon zu sehr eingemischt.« Und nicht jeder lässt sich gern vom Staatschef darüber belehren, wie er seinen Job zu machen hat. Etwa als dieser auf dem Empfang forderte: »Immer an die Leser denken!«

Der Präsident zappelte, gestikulierte, beklagte die zu geringe Zahl der Zeitungsboten – und überspielte somit wortreich die Tatsache, dass er sich in Wahrheit nicht an eine Reform der Medienwelt herantraut. Sarkozys größte Sorge ist eine soziale Explosion. Und so ist der Moment ungünstig, sich mit den Druckergewerkschaften anzulegen. Oder mit den Journalisten. Also lief die Reformrhetorik leer, die Spannung wich, und auf einmal merkte man, wie hart die Stühle im Élysée waren.

Die Gazette übrigens verlor mit dem Tod von Kardinal Richelieu im Jahre 1642 ihren Gönner. Die Gegner des Hofes machten ihrem Monopol schließlich ein Ende. Rund 150 Jahre später waren Zeitungen Orte der Aufklärung, der Debatte und der Leidenschaft geworden. Aber da war ja auch Revolution.
Quelle ZEIT online http://www.zeit.de/2009/06/Medien-Frankreich

Wer will das noch lesen

Der Zeitungsmarkt steckt in der Krise. In Amerika kann man sehen,
welche Konsequenzen die aktuellen Entwicklungen auf den Journalismus
haben
Tina Brown klingt enthusiastisch. "Das Daily Beast ist ein wunderbares
Projekt, es ist  viel schneller als alles, was ich bisher gemacht
habe", sagt sie. Die frühere Chefredakteurin von Vanity Fair und
dem New Yorker stellte ihre Website an der
Journalistenschule der Columbia University vor und die Studenten
drängelten sich begeistert um sie. The Daily Beast,
finanziert vom Medienmogul Barry Diller, bietet Klatsch aus Hollywood,
Blogs von Semi-Prominenten und Links zu Artikeln, aber auch
recherchierte Story von Journalisten. Aber nicht allzu viele.
Ist  das Daily Beast die Zukunft des Journalismus? Denn klar
ist: Der steckt tief in der Krise. Die New York Times
musste ihr Hauptquartier beleihen, hat die Dividende ausgesetzt und ein
250-Millionen-Dollar-Darlehen von dem mexikanischen Milliardär Carlos
Slim Helu aufgenommen. Dow Jones, das Mutterhaus des Wall Street
Journal
,
das Rupert Murdoch erst vor einem Jahr für fünf Milliarden Dollar
erworben hatte, musste seinen Wert um drei Milliarden Dollar
berichtigen. Der Christian Science Monitor verzichtet nach
hundert Jahren auf eine tägliche Druckausgabe, desgleichen die Detroit
Free Press
; Hearst wird folgen. Und die Tribune Company,
die neben der Chicago Tribune die Los Angeles Times
herausgibt, ist im Konkurs.
Quelle ZEIT online
http://www.zeit.de/online/2009/09/vanity-fair-zeitungsmarkt

Dienstag, 17. Februar 2009

Meta Medien

Media Coffee Blog
"media coffee blog" ist eine Initiative von news aktuell. Die
dpa-Tochter versteht sich als Schnittstelle zwischen
Kommunikationsprofis und den Medien. Bereits seit mehr als zehn Jahren
organisieren wir die bekannten Branchentreffs "media coffee" und
bringen Pressesprecher, PR-Profis, IR-Fachleute und Journalisten an
einen Tisch. Mit diesem Blog erweiteren wir das Konzept und bieten ein
Forum an, in dem sich die Branche unabhängig von Ort und Zeit
austauschen kann.

Seien Sie herzlich willkommen!

Frank Stadthoewer
news aktuell, Geschäftsführer
stadthoewer@newsaktuell.de

http://www.mediacoffee.de/member/1


The Huffington Post ist eine linksliberale Onlinezeitung, die in Form eines Polit-Weblogs erscheint. Sie wurde von Arianna Huffington und Kenneth Lerer
gegründet und vereint Links zu verschiedensten Nachrichtenquellen und
-kolumnisten. The Huffington Post ging am 9. Mai 2005 als
Nachrichten- und Nachrichtenkommentarplattform online.
http://www.huffingtonpost.com/
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Huffington_Post

Netzwerk Wissenschaftsjournalist
http://www.netzwerk-wijo.de/

Quo vadis, Online-Journalismus?
Es macht wenig Sinn sich die aktuellen Entwicklungen als Chancen schön zu reden. Die Krise ist da. Schneller als erwartet werden langfristige Investitionen in eigenständige journalistische Angebote im Online-Bereich zusammengestrichen.
http://www.scienceblogs.de/medlog/2009/02/quo-vadis-onlinejournalismus.php

Science Blogs deutsch
http://www.scienceblogs.de/

Science Blog
http://www.scienceblog.com/cms/index.php

Redaktionsteam Kath.de
Team http://www.kath.de/seiten/team.html

Now Public
http://www.nowpublic.com/

Freitag, 13. Februar 2009

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